99. Folge – 27.03.2022
Liebe Mitglieder, liebe Freundinnen und Freunde des Kulturkreises!
Was sind das für Zeiten, wo
Ein Gespräch über Bäume fast ein Verbrechen ist
Weil es ein Schweigen über so viele Untaten einschließt!
Der dort ruhig über die Straße geht
Ist wohl nicht mehr erreichbar für seine Freunde
Die in Not sind?
Diese Verse sind aus Bertolt Brechts „An die Nachgeborenen“, ein eminent wichtiges Gedicht in meinem persönlichen Repertoire. Alle weiteren mir selbst so wichtigen Gedichte und viele mehr von Andreas Gryphius über Heinrich Heine bis Reiner Kunze und Robert Gernhardt sind versammelt in einem kleinen Band aus dem Insel-Verlag mit dem Titel „Gedichte, die glücklich machen“.
Lesen Sie jeden Tag ein Gedicht, und Sie können die Welt besser ertragen! Zum Beispiel
von Kurt Tucholsky:
Park Monceau
Hier ist es hübsch. Hier kann ich ruhig träumen.
Hier bin ich Mensch – und nicht nur Zivilist.
Hier darf ich links gehen. Unter grünen Bäumen
sagt keine Tafel, was verboten ist.
Ein dicker Kullerball liegt auf dem Rasen.
Ein Vogel zupft an einem hellen Blatt.
Ein kleiner Junge gräbt sich in der Nasen
und freut sich, wenn er was gefunden hat.
Es prüfen vier Amerikanerinnen,
ob Cook auch recht hat und hier Bäume stehn.
Paris von außen und Paris von innen:
Sie sehen nichts und müssen alles sehn.
Die Kinder lärmen auf den bunten Steinen.
Die Sonne scheint und glitzert auf ein Haus.
Ich sitze still und lasse mich bescheinen
und ruh von meinem Vaterlande aus.
Na?! Da haben Sie doch gelächelt, oder? Das wünsche ich Ihnen täglich – ob mit oder ohne
Gedicht. Mit ist netter!
Ihre Karin Müller-Rothe