73. Folge – 25.09.2021
Anne Reinecke: Leinsee
Liebe Mitglieder, liebe Freundinnen und Freunde des KULTURKREISES SPRINGE,
dieses Mal empfehle ich Ihnen ein Buch für den Strandkorb. Es fängt zwar wirklich nicht schön an und man möchte diesen Karl mitsamt seinen Eltern mal so richtig durchschütteln, aber nach und nach gibt es zauberhafte Bilder von inneren und äußeren Landschaften und wundersame Begegnungen – und das alles in Farbe von Tiefviolett bis Gottweiß.
Ich rede von Anne Reineckes „Leinsee“, ein Debutroman aus dem Jahr 2018. Die 1978 geborene Autorin erzählt vom Kunstbetrieb und von noch viel mehr. Klar und klug führt sie uns durch eine ungewöhnliche Liebesgeschichte, die sich unbemerkt anbahnt und zusehends spektakulärer wird. Doch zunächst muss der 26-jährige Karl seine Eltern hinter sich lassen.
„Er erinnerte sich nur an den doppelköpfigen Umriss seiner Eltern, Arm in Arm in flackernden Fernsehbildern. Ada und August Stiegenhauer, das Künstlerpaar, die Ikonen des späten zwanzigsten Jahrhunderts, leuchtend und schön, abwechselnd redend und nickend. Wenn er sich anstrengte, sah Karl seine Mutter vor sich. Das Gesicht seines Vaters aber hatte er verloren.“
Mehr will ich gar nicht verraten, höchstens, dass es auch ein bisschen kitschig wird. Aber wenn man im Strandkorb sitzt, macht das ja nichts, oder?
„Und ja, er wusste, dass das kitschig war, aber das änderte ja nichts daran, an dem dunklen Blick nicht und an allem anderen auch nicht, und man durfte auch nicht immer so kleinlich sein, was den Kitsch anging.“
Genießen Sie den Sonnenuntergang!
Mit spätsommerlichen Grüßen
Ihre Karin Müller-Rothe